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So, 14.09.2025 | 23:35 - 00:05

Literatur (D 2025)

Ian McEwan: Was wir wissen können: Zukünfte interessieren ihn immer wieder, KI, Klimakatastrophe, Androiden … Wenn der britische Bestsellerautor Ian McEwan nicht die europäische Geschichte beleuchtet, wie in seinem Erfolgsroman "Abbitte", schaut er nach vorn, weit nach vorn. Sein neuer Roman spielt im Jahr 2119. Wasser liegt über der Welt, Europa ist eine Ansammlung von Inseln geworden, die Demokratien, in denen wir heute noch Freiheit und ein gutes Leben genießen, sind passé. Interessant ist nur, dass die Kultur in Form von Literatur überlebt hat. Im Zentrum des Romans steht der Literaturwissenschaftler Thomas Metcalfe, der sich auf die Suche nach einem verschwundenen Gedicht macht. Der Dichter Francis Blundy hat es 2014 seiner Frau Vivien gewidmet und nur ein einziges Mal vorgetragen. In all den Spuren, die das berühmte Paar hinterlassen hat, stößt Thomas auf eine geheime Liebe, aber auch auf ein Verbrechen. Der preisgekrönte und vielschreibende Autor McEwan hat einmal mehr ein Buch geschrieben, das Science, Social und Culture Fiction verbindet, das meisterhaft eine Zukunft entwirft, die tatsächlich um eine Art Hoffnung kreist und nicht als melancholische Dystopie daherkommt. Wieviel Hoffnung wir uns in Hinblick auf die Zukunft leisten können, dies und andere Themen bespricht der Booker-Preisträger mit Denis Scheck. – Gaea Schoeters: Das Geschenk Holger Fuchs traut seinen Augen nicht. Ist das wirklich ein Elefant da im Straßenlaternenschein an der Spree? Der rechte Politiker, den es nachts durch Berlin treibt, ist der erste, der sie bemerkt – 20.000 Dickhäuter, die die Regierung von Botswana dem reichen Land im europäischen Westen zum "Geschenk" gemacht hat – als Retourkutsche für ein in Deutschland erlassenes Trophäeneinfuhrverbot. Wie die Elefanten von Afrika nach Deutschland gekommen sind – Magie, es wird nicht erklärt. Aber wie vergiftet dieses Geschenk ist, zeigt sich nach wenigen Stunden. Elefanten müssen fressen, müssen koten und wenn sie in ihrer Herdenstruktur gestört werden, trampeln sie auch mal auf Autos herum. Bundeskanzler Hans Christian Winkler muss mit Ideen auf den Plan treten – und setzt kurzerhand eine Elefantenministerin ein, die ihre ganz eigenen Pläne verfolgt. In ihrer so schmalen wie vergnüglichen Satire thematisiert die flämische Autorin Gaea Schoeters politische Machtstrukturen ebenso wie die deutsche Befindlichkeit. "Das Geschenk" ist ihr zweiter Roman nach ihrem Überraschungserfolg "Trophäe" und er ist mindestens so klug konstruiert wie der erste. Mit Denis Scheck spricht die 1976 in Belgien geborene Schriftstellerin über die Idee zu dieser Versuchsaufstellung mit Elefanten und die Faszination post-kolonialer Themen. – Die Empfehlung von Denis Scheck: Erzählungen. Band 1 von Franz Kafka (herausgegeben und kommentiert von Rainer Stach): "Der Schriftsteller, der mir in meinem Leben am meisten bedeutet, ist Franz Kafka. Mein Weg zu Kafka war weder leicht noch geradlinig. Lange Zeit habe ich Kafka regelrecht gehasst, weil er mir in der Schule ziemlich verleidet wurde. Erst das Leben hat mich die Liebe zu diesem Dichter gelehrt. Was löste meinen anfänglichen Widerstand gegen Kafkas Literatur aus? Seine Romanhelden sind allesamt Untergeher, die das über sie waltende Verhängnis mehr oder minder passiv erdulden. Sie verheddern sich in den Netzen von Gesetz, Schuld, Gericht, Urteil und Strafe. Mir als Jugendlichem riss dabei der Geduldsfaden. Doch erkannte ich mit den Jahren, dass Franz Kafka der Maßstab aller Literatur ist. Er beherrscht die Kunst, die Welt durch Worte auf den Kopf zu stellen – besonders evident in seinen philosophischen Aphorismen wie: 'Ein Käfig ging einen Vogel suchen'. Und Kafka besitzt zudem das Talent zum überraschenden Perspektivwechsel, also die Fähigkeit, die Wirklichkeit in einem Moment aus den Augen einer Maus zu betrachten und im nächsten aus der Sicht einer Katze. Besonders klar tritt Kafkas Kunst in seinen Erzählungen hervor. Dieser Band enthält mit 'Das Urteil', 'Die Verwandlung' und 'In der Strafkolonie' drei der berühmtesten Kafka-Texte überhaupt. Mit der kaum drei Seiten langen Erzählung "Entlarvung eines Bauernfängers" aber auch einen extrem komprimierten Text von ungeheurer Weltweisheit, Kafkas Warnung vor Menschen, die einen das eigene Leben verfehlen lassen, uns von unseren Zielen abhalten und vom rechten Weg abbringen. Mit einem einzigen Wort, dem Satz 'Erkannt!', befreit sich Kafkas Ich-Erzähler von seinem nervenden Peiniger. Ich kenne keine schönere und kürzere literarische Schilderung, was Aufklärung in einem Menschenleben bewirken kann." (Denis Scheck) Und wie immer: Denis Schecks pointierte Revue der Spiegel-Bestsellerliste: Diesmal Sachbuch, musikalisch eingeläutet mit Old-Time-Music des Münchner Musikers Ferdinand Kraemer, der unter dem Namen A Bunch of Birds unterwegs ist. Eine Entdeckung!

Thema
  • Ian McEwan: Was wir wissen können.
  • Gaea Schoeters: Das Geschenk.
  • Die Empfehlung von Denis Scheck: Erzählungen. Band 1 von Franz Kafka..
  • Denis Schecks pointierte Revue der Spiegel-Bestsellerliste, diesmal Sachbuch.
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